Ehrlicher Finder: Regener Tagwerk-Mitarbeiter findet 28.800 Euro bei Wohnungsauflösung
Christian Hess aus Bischofsmais (Landkreis Regen) arbeitet seit 2006 beim Tagwerk. Bei einer Haushaltsauflösung hat er 28.000 Euro gefunden – und als ehrlicher Finder abgegeben. Das Geld gehörte einer dementen Frau.
Seit einem Jahr steht die Wohnung leer, die Hess gemeinsam mit weiteren Tagwerk-Mitarbeitern ausräumt. Er findet eine Damen-Handtasche und nimmt sie mit nach Hause. Er will sie seiner Mama schenken. Abends setzt sich der 43-Jährige hin, um die Tasche genauer zu inspizieren. Darin findet er jede Menge Zeitungspapier – und 28.800 Euro. „Da hab ich schon erst mal ned schlecht g’schaut“, erinnert sich der Bischofsmaiser. In einem brauen Bediengeldbeutel liegen feinsäuberlich sortiert die Scheine. „9500 Euro in 500ern waren es, der Rest in 50ern“, weiß Hess.
„Ned schlecht g‘schaut“ haben auch sein Anleiter Christian Kisch, Tagwerk-Chef Max Hackl und BRK-Kreisgeschäftsführer Franz Lobmeier, als Hess sich am Morgen meldet und von seinem Fund berichtet. Er bringt das Geld zu Christian Kisch, der verstaut es erstmal im Safe. Über Max Hackl landet die Nachricht vom Fund bei Franz Lobmeier. Vorsichtshalber fragt er bei der Polizei nach, falls das Geld vermisst wird. Auch den Haus-Justiziar verständigt Lobmeier. Er will sicher gehen, dass alles korrekt abläuft.
Besitzerin ist dement und hat Geld vergessen
Die Handtasche und die geräumte Wohnung gehörten einer älteren Dame, die seit gut einem Jahr im Pflegeheim lebt. Sie ist schwer dement, konnte niemandem mehr von dem vielen Geld berichten – hat es selbst wohl bereits vergessen. Auch die beiden Söhne haben nichts von dem Geld gewusst. Die staunten nicht schlecht, als Lobmeier ihnen eröffnet, was bei der Räumung gefunden wurde. „Denen ist die Kinnlade runtergefallen“, erzählt der Kreisgeschäftsführer lachend.
Vor jeder Wohnungsauflösung, die das Tagwerk übernimmt, bittet Max Hackl die Auftraggeber, selbst alles durchzusehen und Wertgegenstände und Dinge mit Erinnerungswert mitzunehmen. „Dann schaue ich vorbei, um abschätzen zu können, wie viele Leute wir brauchen“, erklärt Hackl. Ein bis zwei Tage brauchen die Mitarbeiter dann in der Regel, bis alles, was verkauft werden kann, raus ist aus dem Haus.
Nicht das erste Mal, dass Christian Hess Geld gefunden hat
Einer von ihnen ist Christian Hess. Er ist laut Hackl „wäschespezialisiert“. „Er schnappt sich bei jeder Hausräumung die Altkleidersäcke und stürmt ins Schlafzimmer“, erzählt der Tagwerk-Chef. Als Christian Hess 2006 beim Tagwerk angefangen hat, war er zunächst auch in der Altkleidersammlung. Sein Faible für Klamotten und Taschen ist ihm auch nach dem Wechsel zum Möbeltrupp geblieben – und hat ihn zur Tasche mit den 28.800 Euro geführt.
Übrigens ist das nicht das erste Mal, dass Christian Hess bei der Arbeit eine beachtliche Summe Geld entdeckt hat. „Ich habe mal 10.000 Euro in einer Kaffeebüchse gefunden“, erinnert er sich. Ehrlich und aufrecht war er auch schon damals und hat das Geld abgegeben.
200.000 Euro in einem Schreibmaschinenkoffer gefunden
Dass bei Haushaltsauflösungen große Geldbeträge gefunden werden, kommt immer wieder mal vor. „Wir sollten mal die Möbel aus einem Haus ausräumen, das eigentlich so gut wie leergeräumt war. Auf einem der Schränke habe ich einen Schreibmaschinenkoffer entdeckt. Beim Aufmachen kam mir ein ganzer Batzen Geld entgegen. Ich weiß nicht mehr, wie viel es genau war, aber bestimmt 200.000 Euro. Ich hab den Koffer dann schnell wieder zugeschlagen“, erzählt Max Hackl lachend. Auch in einem Loch in einer Matratze haben die Tagwerk-Mitarbeiter durch Zufall mal einen Geldbeutel mit 50.000 Mark gefunden.
„Ich bin wirklich stolz, dass wir so ehrliche Mitarbeiter haben, die das Geld dann ohne zu zögern abgeben“, lobt Franz Lobmeier. Die Familie, dessen Geld Hess gefunden hat, möchte anonym bleiben. Gefreut haben sich die Angehörigen laut Lobmeier aber natürlich sehr über den unerwarteten Fund. „Sie wollten sich auch unbedingt persönlich bedanken“, weiß Kisch. Christian Hess hat einen großzügigen Finderlohn für sein korrektes Verhalten bekommen.
Und was sagt Christian Hess dazu? Der zuckt nur mit den Schultern und gibt sich bescheiden: „Das gherd sich halt. Is ja ned mei Geld.“ Bei dem ganzen Lob blitzt aber doch ab und an ein Grinsen durch.
Über das Regener Tagwerk
Das Tagwerk gibt gebrauchten Möbeln, Elektrogeräten, Büchern und Klamotten nach Wohnungsräumungen ein zweites Leben. Rund 60 Mitarbeiter hat das Regener Tagwerk. Überwiegend sind das Menschen, die „auf dem ersten Arbeitsmarkt keine Chance haben“, erklärt Tagwerk-Chef Max Hackl. Die einzelnen Charaktere sind sehr unterschiedlich. Was sie eint, ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung – psychisch oder körperlich.
Je nach Gesundheitszustand können sie individuell Arbeitszeiten vereinbaren und je nach ihren Fähigkeiten im Tagwerk mitarbeiten. „Die Leute, die kein Arbeitgeber will, bekommen bei uns – wenn sie wollen – eine Beschäftigung und einen strukturierten Tagesablauf.“
Mitarbeiter gesucht!
Im Tagwerk gibt es neben dem Verkauf von Second-Hand-Produkten noch weitere Arbeitsfelder. Textildruck, Grünanlagepflege, Altkleidersammlung und Haushaltsauflösungen. Die Trägerschaft des Tagwerks obliegt dem Kreisverband Regen des Bayerischen Roten Kreuzes in enger Kooperation mit dem Sozialpsychiatrischen Dienst, der Betreuten Wohngemeinschaft, dem Sozialamt Regen und dem Bezirk Niederbayern.
Die Angebote werden gut angenommen. Der Nachfrage – gerade bei Haushaltsauflösungen – könne das Tagwerk aktuell gar nicht gerecht werden. „Wir haben ein großes Problem: Wir bekommen fast keine Leute mehr“, sagt Hackl. „Weil überall Arbeitskräfte fehlen, haben mehr Leute wieder Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt, gerade in der Baubranche“, erklärt BRK-Kreisgeschäftsführer Lobmeier.
Devise lautet: Mitarbeit auf Motivationsbasis
Gerade fehlt es vor allem an Leuten, die Fähigkeiten mitbringen. „Es kann nicht jeder eine Küche abbauen oder mit einer Motorsäge umgehen“, sagt Lobmeier. Und nicht jeder kann Lastwagen fahren – seit Monaten ist das Tagwerk beispielsweise auf der Suche nach einem Fahrer.
Mitarbeit auf Motivationsbasis – ohne Druck, ohne Zwang; so funktioniert das Prinzip hinterm Tagwerk. „Wir würden auch jeden herzlich willkommen heißen, der bei uns mal einen Schnuppertag verbringen will“, lädt Lobmeier ein. Am wichtigsten sei gegenseitiges Verständnis – „jeder kann mal was nicht. Weil er es halt nicht kann. Und da ist es einfach wichtig, zu vermitteln und aufeinander zuzugehen.“